Für unsere Rezepte empfehlen wir die Verwendung von Zutaten aus ökologischem Anbau. Inwieweit diese gesünder als konventionell angebaute Lebensmittel sind, erfährst du in diesem Artikel.
Welche Bilder hast du vor dir, wenn du an Bio-Food denkst? Bei mir erscheinen da glücklich grasende Kühe auf fetten Weiden und tonnenweise frische Äpfel aus dem Hofladen – natürlich umgeben von Feldern und Wald. Eigentlich eine klare Kaufempfehlung! Warum ich trotzdem nicht immer zum Bio-Obst greife, liegt zum einen an den spürbar höheren Preisen gegenüber konventionell angebauten Lebensmitteln und zum anderen daran, dass ich schon hier und da kritische Stimmen aufgeschnappt habe. Ist Bio doch nicht sooo super oder mache ich es mir zu einfach? Grund genug, selbst Recherche zu betreiben!
Bevor wir uns der Gegenüberstellung widmen, sollte klar sein, unter welchen Umständen ein Produkt als „Bio“ gelabelt werden darf. Eine glückliche Kuh steht nicht auf der Liste der Kriterien, die EU-weit festgelegt¹ sind, dafür aber u.a. folgende Punkte:
Seit Januar 2022 gilt eine neue EU-Öko-Verordnung für die Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion. Der Bund der ökologischen Lebensmittelwirtschaft hat dazu eine sehr praktische Übersicht² mit den Änderungen erstellt. Dazu gehören eine Ausweitung der Zulassungen von Stoffen und Erzeugnissen wie Pflanzenschutzmittel, Dünger, nicht-ökologische Zutaten bei Lebensmitteln, Futtermitteln und ihren Zusatzstoffen. Zudem gibt es einige Änderungen bei der Kontrolle der Einhaltung und für Importe aus Drittländern.
Auch wenn wir unsere EU-Standards im weltweiten Vergleich zu schätzen wissen sollten, gibt es noch Luft nach oben. Kritiker:innen bemängeln³ vor allem zu wenig Regeln für Nachhaltigkeit und Tierwohl:
Die Kritiken beziehen sich wohlgemerkt auf die EU-Richtlinien, die oft als “Light-Bio-Version” bezeichnet werden. Du erkennst Produkte, die darunter fallen, an diesen Siegeln (Bilder von Labeln einfügen). Wer sich strengere Regeln wünscht, sollte nach den Siegeln von Bioland, Naturland, Biopark und/oder Ecovin für Wein Ausschau halten. Hier findest du die Kriterien⁴ der verschiedenen Labels.
Einer der wichtigsten Gründe für den Kauf von Bio-Produkten ist die Annahme, sich selbst damit etwas Gutes zu tun: Für 87 Prozent⁵ der Bio-Konsument:innen in Deutschland zählen die (erwarteten) gesundheitlichen Vorteile zu den Kaufgründen. Bio gilt im Volksmund als gesünder (im Vergleich zu konventionellen Produkten).
Tatsächlich herrscht hier aber noch Uneinigkeit bei Wissenschaftler:innen: Laut einer Studie der Universität Stanford⁶ gibt es keinen signifikanten Nachweis, dass (nach US-Richtlinien hergestellte) biologische Lebensmittel höhere Werte in Bezug auf Nährstoffe, Vitamine oder Mineralien aufweisen. Lediglich beim Spurenelement Phosphor konnten Unterschiede festgestellt werden. Da nur sehr wenige Menschen hier einen Mangel haben, ist der Benefit allerdings gering. Die Ergebnisse sorgten für Aufruhr. Einige Zeitungen sprachen von der „Bio-Lüge“ oder „Bio-Marketing“.
Das europäische Forschungsprojekt QLIF⁷ konnte schließlich den Ruf von Bio-Produkten wieder in ein gutes Licht rücken. Demnach enthalten Bio-Obst und -Gemüse bis zu 40 Prozent mehr Antioxidantien, die vermutlich das Risiko für Herzerkrankungen und Krebs senken. Diese werden normalerweise von allen Pflanzen als natürliches Pestizid⁸ produziert. Konventionelle Pflanzen fahren die Eigenproduktion automatisch zurück, wenn sie mit chemisch-synthetischen Pestiziden versorgt werden.
Durch die menschliche Zugabe von künstlichen Pflanzenschutzmitteln nehmen wir beim Konsum von Nicht-Bio-Lebensmitteln im Schnitt viermal soviel Pestizide⁹ wie bei organisch angebauten Produkten auf. Letztere werden vor allem durch vorbeugende Maßnahmen geschützt: Zum Beispiel werden Wildblumen oft neben Gemüsefeldern ausgesät, um nützliche Insekten heranzulocken, die wiederum unerwünschte Schädlinge beseitigen.
Die meisten biologisch angebauten Früchte und Gemüse weisen keine Pestizidbelastung auf. Dennoch wurde in einer Studie aus dem Jahr 2020 in 48 Prozent¹⁰ der untersuchten Bio-Lebensmittel Pestizid-Rückstände nachgewiesen – auch wenn diese mit weniger als 0.01 mg / kg sehr gering sind.
Das hat mehrere Gründe:
Generell gilt bei Pestiziden: Die Menge macht das Gift. Bisher gibt es nur wenige wissenschaftliche Erkenntnisse über die Langzeitfolgen von Pestiziden im menschlichen Körper. Eine dänische Studie¹² aus dem Jahr 2018 untersuchte die Bevölkerung auf Pestizidrückstände und ihre Auswirkungen. Den Ergebnissen zufolge sind die gesundheitlichen Risiken von Pestiziden bei Erwachsenen (in der Höhe, in der sie durchschnittlich im Körper nachgewiesen werden konnten) gleich mit den Auswirkungen zu bewerten, die durch den Konsum eines Glases Weins in sieben Jahren entstehen. Bei Kindern hingegen ist die Wahrscheinlichkeit von gesundheitlichen Langzeitfolgen deutlich höher.
Was mich bei meiner Recherche sehr verwunderte: Bei fast allen Artikeln und Papern über die gesundheitlichen Aspekte von Bio- und konventionellen Lebensmitteln wurde das meistverkaufte Pflanzenschutzmittel Glyphosat¹³ weltweit nicht mal als Randnotiz erwähnt – obwohl es hochumstritten ist: Während die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsagentur das Herbizid ¹⁴ als “wahrscheinlich krebserregend beim Menschen” einstufte, wurde es von drei anderen Behörden als “nicht krebserregend” bescheinigt. Folglich verlängerte die Europäische Kommission die Zulassung 15 bis Mitte Dezember 2023, damit die Lebensmittelbehörde EFSA Zeit hat, neue Studien durchzuführen und Risiken abzuwägen. Mehrere Organisationen, die sich für ein Verbot von Glyphosat aussprechen, sehen in dem Vorgehen der Behörden einen systematischen Regelbruch und weisen auf sieben Langzeitstudien hin, die das Ergebnis der Krebsforschungsagentur bestätigen. Den gesamten Report findest du hier¹⁴. Eine sehr spannende Gegenüberstellung der Argumente und die Offenlegung der beteiligten Akteure kannst du bei Quarks16 nachlesen. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte zu Bio-Lebensmitteln greifen: Da diese (wie oben erwähnt) nicht mit chemisch-synthetischen Pestiziden behandelt werden dürfen, enthalten sie auch kein Glyphosat. Konventionelle Produkte aus Deutschland haben zudem ein geringeres Glyphosat-Risiko als einige Produkte aus dem Ausland, da hierzulande die Verfahren, bei denen Glyphosat17 angewendet wird, zum großen Teil verboten wurden. Dennoch ist der Einsatz von Glyphosat nicht generell verboten. Zumindest beim Getreide gibt es eine erfreuliche Nachricht: 2020 nahm Öko-Test18 50 verschiedene Mehle(Bio und Nicht-Bio) unter die Lupe und konnte bei keinem davon Glyphosat-Rückstände feststellen.
Das kommt ganz darauf an, welche Inhaltsstoffe19 man betrachtet. Getreide aus dem ökologischen Anbau beinhaltet weniger Nitrate und mehr sekundäre Pflanzenstoffe20, die möglicherweise gesundheitsfördernd sind. Zudem weist es weniger Pestizidrückstände und Schwermetalle aus. Bei den Vitaminen ist die wissenschaftliche Lage nicht ganz eindeutig: Während zwei Forschungen zu dem Ergebnis kamen, dass Bio-Getreide mehr Vitamin C enthält, sind sich einige Studien einig, dass es keinen Unterschied für den Vitaminhaushalt macht, ob wir Bio- oder Nicht-Bio-Getreide konsumieren. Schaut man auf Proteine, steht Bio-Getreide sogar unter wissenschaftlichem Blickwinkel schlechter da. Das äußert sich auch beim Backen, indem konventionell mit Stickstoff gedüngter Weizen tendenziell mehr Gluten enthält und damit bessere Backeigenschaften21 aufweist.
Zwischenfazit: Offen gesagt hatte ich mehr Differenzen zwischen Lebensmitteln aus ökologischen und konventionellen Anbau hinsichtlich der gesundheitlichen Aspekte erwartet. Insbesondere die wissenschaftliche Uneinigkeit in vielen Bereichen überraschte mich. Das für mich einzig – wenn auch nicht zu vernachlässigende – Argument für Bio-Lebensmittel ist beim Fokus Gesundheit das Thema Glyphosat (bei dem sich die Recherche inklusive fragwürdiger Lobbyeinflüsse ja fast schon wie ein Thriller liest). Für Konsument:innen, die nicht tagelang mit dem Lesen von Papern und Studien beschäftigt sein möchten, ist es meiner Meinung nach sehr schwierig, eine klare Antwort zu erhalten. Ich hoffe, der Artikel hat dir dabei einen ersten groben Überblick verschafft.
Falls du wissen möchtest, wie sich die beiden Anbauweisen hinsichtlich Nachhaltigkeit und Geschmack unterscheiden und welche Kriterien die alternativen Bio-Siegel beinhalten, dann schau hier gerne öfters rein: Ich werde den Artikel nach und nach ergänzen und freue mich natürlich über deine Anmerkungen in den Kommentaren.